Baumstämme zu Kanonen -- Von der vergessenen Kunst
Letztens in einem bekannten und sehr erfolgreichen Strategiespiel: Die Spanier landen in Nordamerika ungefähr im heutigen Kanada. Die erste Schlacht mit den Einheimischen findet statt. Danach kann der Spieler der Spanier die eigenen Einheiten einfach per Knopfklick gegen Bares wieder auf volle Stärke bringen und das mitten im Urwald. Die letzte befreundete Stadt war auf dem alten Kontinent, die Schiffe sind auch weit weg. Es stellt sich die Frage, ob die Spanier sich neue Kanonen aus Bäumen geschnitzt haben! Müssen das nicht ungemein fähige Spanier gewesen sein?Viele Kriege wurden in der Geschichte aufgrund der Versorgungslage gewonnen bzw. verloren. Die Römer bissen sich beispielsweise alle Zähne an Hannibal aus. Sie verloren mindestens drei große Schlachten in Folge gegen ihn, zuletzt mit eigenen weit überlegenen Truppen in der berüchtigten Schlacht von Cannae. Dann jedoch hatte Consul Flavius mit einer Politik der verbrannten Erde Erfolg. Hannibal siegte sich nach Cannae quasi zu Tode. Seine eigenen Streitkräfte wurden trotzdem immer schwächer. Die Tatsache, dass er aus seiner Heimat Karthago nicht ausreichend Nachschub erhielt, besiegelte dann sein Unheil das schließlich vor Karthago selbst endete. Zuletzt hatten sich die sparsamen Karthager ihr eigenes Grab geschaufelt.
Ähnlich erging es auch Feldmarschall Rommel vor El Alamein. Er feierte mit seiner Panzertruppe Sieg um Sieg. Doch letztlich waren es drei Tatsachen, die ihm am Ende den Sieg kosteten: Die Briten wurden immer stärker, bekamen vollen Nachschub während Rommels Nachschub immer öfter im Mittelmeer auf dem Meeresgrund landete, denn seine Gegner versenkten die Versorgungsschiffe reihenweise. Am Schluss hatte Rommel nur noch eine Handvoll Panzer, die sich wegen Treibstoffmangel kaum noch bewegen konnten. Der dritte Grund war, dass die Briten den Enigma-Chiffrier-Code geknackt hatten und deshalb seinen Funkverkehr abhören konnten -- sie wussten also wo und wann er als nächstes angreifen würde.
Doch in Strategiespielen wird das Problem der Versorgungslogistik meist ignoriert. Wenn überhaupt, dann wird es oft darauf reduziert, dass man neue Munition oder Treibstoff nachkaufen muss. Das geschieht dann per Knopfdruck und kostet etwas Geld. Doch die Tatsache, dass Nachschubwege zur Verfügung stehen müssen, diese Nachschubwege unterbrochen werden könnten und dass Nachschub von langer Hand geplant sein will, wird meist komplett ignoriert.
Dabei ist der Nachschub auch der Grund, warum eingeschlossene Einheiten in der Realität sehr schnell zur Kapitulation gezwungen sind. Wenn keine Nahrung, keine Munition oder Benzin mehr zur Verfügung stehen, dann sinkt die Kampfkraft rapide und selbst eine vorher überlegene Armee steht auf verlorenem Posten.
Letztlich hat bereits Sun Tzu in dem Strategie-Klassiker "The Art of War" klargestellt, dass das Meistern von Logistik der Eckstein für alle erfolgreichen Operationen ist -- und das schrieb er bereits vor 2.500 Jahren.
Ein paar wenige Strategiespiele versuchen das Thema Logistik im Spielgeschehen zu berücksichtigen. Das muss immer auf einem relativ abstrakten Niveau bleiben und es ist eine Kunst, Spielbarkeit und Realitätsnähe miteinander zu verheiraten, denn wenn man Versorgungslogistik in ihrer vollen Bandbreite implementieren wollte, würde das zu einem Maß an Mikromanagement führen, das für ein Spiel tödlich wäre. Aber vielleicht ist das auch der Grund, warum das Thema Logistik so selten berücksichtigt wird: Es gibt keine Standard-Lösung dafür und man muss sich selbst Gedanken darüber machen.
Hoffen wir, dass das nächste Strategiespiel das Thema Logistik wieder aufgreift, damit auch wir Hobbystrategen uns daran messen können.