Tamagotchis waren die nervigen kleinen Dinger, mit denen Eltern ihre Kinder im ausgehenden 20. Jahrhundert ruhig stellen konnten, denn jene mussten sich um die virtuellen Küken kümmern, welche ständig in der Tasche nervten.
Manche Online-Spiele sind die kleinen virtuellen Dinger, mit denen Kinder ihre Eltern im angehenden 21. Jahrhundert ruhig stellen können, denn selbige müssen sich jetzt um ihre virtuellen Welten kümmern und ständig irgendwelche Ressourcen einsammeln oder sonstige Wartungsarbeiten an ihren virtuellen Städten, Dörfern oder Gärten vornehmen.
Das Niveau vieler Online-Spiele ist seit OGame leider nicht wesentlich gestiegen, wenn man von der Grafik absieht, die immer bunter und animierter wird. Dazu kommt, dass einige Spiele nicht nur verlangen, dass man möglichst viel Zeit vor dem jeweiligen Spiel verbringt, sondern auch dass man ständig irgendwelche sich wiederholende und stumpfsinnige Aktionen macht.
Es ist wie bei den Tamagotchis der 90er Jahre. Die Tamagotchis wollten ständig irgendwie Aufmerksamkeit, ansonsten waren sie wie reale Tierkinder, um die sich niemand kümmert in ihrer Entwicklung gehemmt oder starben im Extremfall sogar. Dazu musste der Besitzer einfach auf Verlangen bestimmte Knöpfe des Tamagotchis drücken, durch die das Tamagotchi virtuell gestreichelt oder gefüttert wurde. Was damals vielleicht eine erzieherische Maßnahme für verwöhnte Großstadtkinder sein mochte, war letztlich aber von sehr beschränktem Bildungs- oder Unterhaltungswert. Deshalb starben die Tamagotchis auch nach kurzer aber heftiger Boomphase trotz Streichelns wieder aus und sie wurden u.a. auf virtuellen Friedhöfen beerdigt.
Leider besteht ein Teil des Spielprinzips von einigen Online-Spielen -- sogar von Strategiespielen -- darin, dass der Spieler ständig irgend welche Dinge klicken muss. Hier ist etwas in regelmäßigen Abständen einzusammeln, dort muss etwas angestoßen werden, hier muss Mikromanagement gemacht werden. Schlimmer noch, wenn man Ressourcen nicht einsammelt, dann werden entweder keine neuen produziert oder in manchen Fällen verfallen diese sogar nach einer gewissen Zeit.
Dadurch dient diese Spielmechanik dazu, den Spieler möglichst lange und möglichst oft vor das Online-Spiel zu bringen.
Somit sind diese Online-Spiele die Tamagotchis des neuen Jahrhunderts -- doch diesmal sitzen oft Erwachsene davor und werden mit effektiv immer kleineren Belohnungen abgespeist.
Bei traditionellen Strategie-Brettspielen versucht man Mikromanagement nach Möglichkeit zu vermeiden und Spiele mit einem zu hohen Detailgrad werden von der Masse der Spieler meist einfach nicht gekauft, denn ein vergnügliches Spielen kann kaum aufkommen, wenn Spielen zur Arbeit ausartet. Die wahre Kunst des traditionellen Spiels besteht gerade in der Vergröberung, die dennoch den Spielhintergrund intakt lässt. Doch bei Online-Spielen scheint man dieses Prinzip teilweise vergessen zu haben -- ein Klick ist ja so einfach. Doch wenn man alle 15 Minuten oder jede Stunde Ressourcen abholen muss, dann wird das Spiel zur Arbeit und der Spieler zum Sklaven.
Es wird vielleicht Zeit, dass wir endlich virtuelle Friedhöfe für solche Online-Spiele errichten, welche ihre User zu stumpfsinnigem Mikromanagement zwingen, das keinen anderen Sinn hat, als die Spieler dazu zu bringen, dass sie zur Verkürzung der notwendigen Warte- und Klickorgien den Betreibern mehr Geld zuwerfen.
Ja, der Tamagotchi-Vergleich drängt sich wirklich auf. Nicht nur, daß man regelmäßig irgendwas klicken muß, auch muß man das zu den unmöglichsten Zeiten machen, weil die Bauschlange nur bis nachts um vier gefüllt ist oder so. Kein Wunder, daß sich bei populären Spielen nach kurzer Zeit jemand findet, der einen entsprechenden Klick-Bot programmiert.
AntwortenLöschenAndererseits sind gerade die Aufbauarbeiten ein wesentlicher Teil der Attraktion für neue Spieler. Viele Leute haben Spaß daran, in liebevoller Kleinarbeit ihre Insel oder ihren Planeten auszubauen, selbst wenn das alles nur im Kopf stattfindet, weil auf dem Bildschirm eigentlich nur Gebäudelevel hochgezählt werden. Das geht so weit, daß die dann gar keine Lust auf Gefechte haben, weil sie Angst um ihre schöne Insel haben. Ich hatte tatsächlich mal in einem Forum den Kommentar gelesen "Lassen wir das mit den Angriffen doch sein! Laßt uns einfach alle unsere Insel ausbauen und dann vergleichen, wer die schönste hat!" Das Ausbauen ist auch immer eine schöne entspannende Abwechslung zu den harten Gefechten. Wer kein Hardcore-Stratege ist -- und die meisten Menschen sind das nicht -- der will auch immer mal einfach nur sinnlos Aufbauklicken.
So, wie kann man das Problem jetzt mildern? Es kommt drauf an, wie das Spiel angelegt ist.
Bei einem Spiel wie Escaria, wo man immer nur /eine/ Insel hat, die man nach und nach immer größer und schöner baut, ist der Fall einfach. Mach die Bauschlangen länger, also laß nicht nur ein oder zwei, sondern 20 oder 50 Baubefehle in die Queue legen, und das Thema ist im wesentlichen durch. Tatsächlich bieten einige Spiele diese Funktionalität gegen Premium-Kohle. Allerdings machen sie meistens den Fehler, daß sie die benötigten Ressis schon bei Erteilen des Baubefehls abziehen, nicht erst bei eigentlichem Baubeginn. Deshalb muß man riesige Berge von Ressis haben, wenn man vorm Schlafengehen die Queues befüllt, was ja nicht selbstverständlich ist, wenn man nicht über das stärkste stehende Heer weit und und breit verfügt. Und während man offline ist, häufen sich die Ressis wieder an, was natürlich sehr attraktiv auf nächtliche Angreifer wirkt. Also dieses Detail müssten sie fixen, dann paßt das erstmal.
Bei einem Spiel wie Grepolis oder Die Stämme, wo man im Laufe der Zeit eine ganze Menge Dörfer/Inseln anhäuft, ist es nicht ganz trivial, aber auch nicht wirklich kompliziert. Im späteren Spielverlauf muß man ja schon mehrere hundert Dörfer managen. Und hier zeigt sich deutlich, auf welch erbärmlichen technischen Niveau diese Spiele stehengeblieben sind, ein Niveau, daß sich tatsächlich nicht im geringsten von den Spielen vor 15 Jahren unterscheidet. Denn auch viele 100 Dörfer verwaltet man ganz genauso wie das erste, und zwar schaltet man sie der Reihe nach durch und klickt bei jedem irgendwas, bevor es zum nächsten geht. Sowas lass ich mir nicht mal kostenlos bieten, sowas spiel ich einfach nicht. Wenn ich derart stupide Arbeiten machen wollte, hätte ich mir einen Job in der Verwaltung gesucht, wo ich dann Disketten abheften kann oder sowas.
AntwortenLöschenNa jedenfalls kann man das hier entweder mit längeren Bauschlangen mildern, oder man kann es gleich richtig lösen, indem man betreiberseitig z.B. Bau-Bots anbietet, die ein Dorf automatisch bis zu einer bestimmten Zielvorgabe ausbauen. Man stellt dann nur noch ein, was das Ergebnis sein soll, etwa Ressis auf Maximum, Hafen auf Level 10, Werkstatt und Schmiede nur auf Level 5. Der Bau-Bot erledigt den Rest. Wenn er gut programmiert ist, findet er den optimalen Baupfad, um das Ergebnis möglichst schnell zu erreichen (also in den richtigen Momenten auch mal das Haupthaus erhöhen, um die Bauzeiten zu verkürzen).
Hat man das erstmal, kann man sich verschiedene Dorftypen als Templates definieren. Man baut ja nicht bei jedem Dorf alles auf Maximum. Bei einem reinen Supply-Dorf, was nur für die Ressiproduktion da ist, bleiben Hafen und Werkstatt auf niedrigem Level. Manche Dörfer sollen nur Def-Truppen bauen und dann immer dort hinschicken, wo sie grad gebraucht werden. Die Offensiv-Dörfer werden dagegen Kasernen und Hafen auf Maximum haben wollen. Am Ende klickt man nur noch an, dies hier soll ein Offensivdorf werden, und der Bau-Bot ist die nächsten 4 Wochen beschäftigt.
Ähliches kann man bei der Truppenproduktion machen. Etwa auf dem Level "bau 50% Def und 50% Off; die Def schickst du direkt in das Dorf und die Off direkt in jenes Dorf".
Dann könnte man Handelsrouten aufsetzen, damit die Supply-Dörfer automatisch die anderen Dörfer versorgen. "Pro Tag 20k von jedem Rohstoff nach da, dort und dort!" Den Rest macht ein Bot.
Und so weiter, immer das gleiche Prinzip. Immer nur sagen, /was/ man haben will, nicht /wie/ das im einzelnen vonstatten geht. Es ist ein Unterschied wie zwischen SQL und Assembler (und jeder fähige Programmierer müsste da eigentlich unausweichlich selbst drauf kommen, was uns auch zeigt, daß die gängigen Anbieter nur völlig verblödete PHP-Frickler haben, aber keine Programmierer).
/Das/ wären mal Premium-Features, die man verkaufen kann und die das Spielniveau enorm auf die strategische Ebene heben würde. Ich warte da jetzt seit ziemlich genau 10 Jahren drauf und denke die ganze Zeit, das müssten sie doch endlich mal auf die Reihe kriegen.
Ein Teil des Problems ist wohl, dass heutige Strategie-Spiele versuchen, zwei Benutzergruppen gerecht zu werden. Ein Phänomen hattest Du ja schon genannt - einige Benutzer spielen Strategiespiele, wollen aber vom Kampf nichts wissen.
AntwortenLöschenHier treffen die Interessen von zwei Benutzergruppen diametral gegeneinander. Immerhin gibt es ja auch Casual-Games, bei denen man Blumen pflanzen und begießen kann, ohne irgend eine Gefahr zu laufen, dass plötzlich ein Sternenzerstörer seinen Traktorstrahl auf die Torfsäcke lenkt, nachdem die Dornenheckenverteidigungslinie mit Fusionstorpedos ausgeschaltet wurde.
Klar, dass bei vielen Spielen nicht die große Strategie der wenigen Strategiespezialisten im Fokus liegt. Denn die Masse liefert eben mehr Geld.
Ein weiterer Grund ist wohl, dass man doch potentiell die Leute so lange/oft wie möglich an das Spiel bekommen will. Automaten wirken da eher dagegen.