Freitag, 7. Juni 2013

WBF-03 (Viele Browser-Strategiespiele nerven furchtbar weil ...): Welcome in Tamagotchi-Land

Tamagotchis waren die nervigen kleinen Dinger, mit denen Eltern ihre Kinder im ausgehenden 20. Jahrhundert ruhig stellen konnten, denn jene mussten sich um die virtuellen Küken kümmern, welche ständig in der Tasche nervten.
Manche Online-Spiele sind die kleinen virtuellen Dinger, mit denen Kinder ihre Eltern im angehenden 21. Jahrhundert ruhig stellen können, denn selbige müssen sich jetzt um ihre virtuellen Welten kümmern und ständig irgendwelche Ressourcen einsammeln oder sonstige Wartungsarbeiten an ihren virtuellen Städten, Dörfern oder Gärten vornehmen.

Das Niveau vieler Online-Spiele ist seit OGame leider nicht wesentlich gestiegen, wenn man von der Grafik absieht, die immer bunter und animierter wird. Dazu kommt, dass einige Spiele nicht nur verlangen, dass man möglichst viel Zeit vor dem jeweiligen Spiel verbringt, sondern auch dass man ständig irgendwelche sich wiederholende und stumpfsinnige Aktionen macht.
Es ist wie bei den Tamagotchis der 90er Jahre. Die Tamagotchis wollten ständig irgendwie Aufmerksamkeit, ansonsten waren sie wie reale Tierkinder, um die sich niemand kümmert in ihrer Entwicklung gehemmt oder starben im Extremfall sogar. Dazu musste der Besitzer einfach auf Verlangen bestimmte Knöpfe des Tamagotchis drücken, durch die das Tamagotchi virtuell gestreichelt oder gefüttert wurde. Was damals vielleicht eine erzieherische Maßnahme für verwöhnte Großstadtkinder sein mochte, war letztlich aber von sehr beschränktem Bildungs- oder Unterhaltungswert. Deshalb starben die Tamagotchis auch nach kurzer aber heftiger Boomphase trotz Streichelns wieder aus und sie wurden u.a. auf virtuellen Friedhöfen beerdigt.
Leider besteht ein Teil des Spielprinzips von einigen Online-Spielen -- sogar von Strategiespielen -- darin, dass der Spieler ständig irgend welche Dinge klicken muss. Hier ist etwas in regelmäßigen Abständen einzusammeln, dort muss etwas angestoßen werden, hier muss Mikromanagement gemacht werden. Schlimmer noch, wenn man Ressourcen nicht einsammelt, dann werden entweder keine neuen produziert oder in manchen Fällen verfallen diese sogar nach einer gewissen Zeit.
Dadurch dient diese Spielmechanik dazu, den Spieler möglichst lange und möglichst oft vor das Online-Spiel zu bringen.
Somit sind diese Online-Spiele die Tamagotchis des neuen Jahrhunderts -- doch diesmal sitzen oft Erwachsene davor und werden mit effektiv immer kleineren Belohnungen abgespeist.
Bei traditionellen Strategie-Brettspielen versucht man Mikromanagement nach Möglichkeit zu vermeiden und Spiele mit einem zu hohen Detailgrad werden von der Masse der Spieler meist einfach nicht gekauft, denn ein vergnügliches Spielen kann kaum aufkommen, wenn Spielen zur Arbeit ausartet. Die wahre Kunst des traditionellen Spiels besteht gerade in der Vergröberung, die dennoch den Spielhintergrund intakt lässt. Doch bei Online-Spielen scheint man dieses Prinzip teilweise vergessen zu haben -- ein Klick ist ja so einfach. Doch wenn man alle 15 Minuten oder jede Stunde Ressourcen abholen muss, dann wird das Spiel zur Arbeit und der Spieler zum Sklaven.

Es wird vielleicht Zeit, dass wir endlich virtuelle Friedhöfe für solche Online-Spiele errichten, welche ihre User zu stumpfsinnigem Mikromanagement zwingen, das keinen anderen Sinn hat, als die Spieler dazu zu bringen, dass sie zur Verkürzung der notwendigen Warte- und Klickorgien den Betreibern mehr Geld zuwerfen.