Mittwoch, 18. September 2013

WBF-04 (Viele Browser-Strategiespiele nerven furchtbar weil ...): Die Stärksten gewinnen

Bei vielen wenn nicht sogar den meisten heutigen Online-Strategiespielen kann man schon kurze Zeit nach Start einer neuen Spielwelt vorhersagen, aus welcher Gruppe von Spielern der letztliche Gewinner hervorgehen wird. Der Grund ist einfach: Es ist eine ungeschriebene Abmachung, dass die Stärksten Spieler gewinnen.
Der Grund liegt im Spielsystem dieser Spiele. Taktische Raffinesse oder Geschick sind weniger gefragt, als die Investition von möglichst viel Zeit und das Vorrecht der "frühen Geburt" -- das heißt, je früher man in eine neue Welt kommt, desto höher sind die eigenen Chancen.
Das Spielsystem der meisten Strategiespiele fördert exponentielles Wachstum, das Wachstum wiederum mit Wachstum belohnt. Strategie oder intelligente Spielzüge sind dagegen eher die Rosine auf dem Kuchen -- ohne großen Nährwert.

Wo bleiben echte Strategiespiele, die gute Taktiken, eine herausragende Strategie oder wenigsten pfiffige Winkelzüge belohnen?
Aber dazu bräuchte es auch einmal den Mut, etwas anderes zu tun, als nur immer wieder die gleichen (bewährten, aber letztlich langweiligen) Spielprinzipien zu kopieren und mit schöneren Grafiken und der einen oder anderen Zusatzrosine zu schmücken.
Wo bleiben die Spieldesigner, die außer exponentiellem Wachstum auch etwas anderes kennen?
Ja, es ist verführerisch. Schnelle Erfolge ziehen die Spieler an und sie werden mit grafischen Bonbons gelockt und belohnt. Aber letztlich handelt es sich kaum um Strategie oder eine Herausforderung der Intelligenz als um ein programmiertes füttern der Spieler mit motivationsfördernden Belohnungshäppchen. Die Spieler bekommen schnell positives Feedback vom Spiel, das ihnen im echten Leben vielleicht viel zu oft versagt bleibt. Das ist auch ein Grund, warum Spiele eigentlich gut sind. Aber wenn die intellektuelle Herausforderung bewusst auf dem Niveau eines Kleinkindes bleibt (man möchte ja bloß keine Kunden vergraulen), dann verfehlt das Spiel letztlich auch seinen Zweck.
Dabei wäre gerade im Online-Bereich eine gute Möglichkeit, interessante, vielschichtige und immer wieder herausfordernde Strategiespiele anzubieten. Die heutigen Rechner und das Internet bieten die optimalen Voraussetzungen, neue Spielewelten zu schaffen, die weiter gehen können, als das was man bisher kannte.

Doch von den heutigen Spielproduzenten, die leider oft nur hinter dem schnellen Geld her sind, ist wohl eine Änderung nur schwer zu erwarten. Die suchen nach der dumpfen Masse, die sich mit den grafischen Finessen abspeisen lässt, die Strategie-Gourmets stellen keine ausreichend relevante Zielgruppe dar. Wie auch im Brettspiele-Markt sind die wahren Filetstücke eher vom Independent-Markt zu erwarten.

Montag, 2. September 2013

Die Zukunft von Online-Spielen: Zugorientierung vs. Echtzeit - eine Frage des abstrakten Denkens

Fast alle heutigen Browser-Strategiespiele arbeiten in Echtzeit. Offenbar wird Echtzeit als das Nonplusultra angesehen.
Früher gab es auch Spiele, die zugorientiert arbeiteten. Das heißt, man hat zu bestimmten Zeiten einen Zug gemacht und konnte sich danach seinem sonstigen Leben widmen. Das hatte natürlich den Nachteil, dass sich ein vielleicht etwas künstlicher Rhythmus ergab und man nicht weiter spielen konnte, wenn man will.
Dann kamen mit der Rechnerleistung und den Möglichkeiten von Online-Diensten die Echtzeitspiele auf. Nicht nur Shooter, sondern auch bei Strategiespielen konnte man sich jetzt rund um die Uhr an den Computer setzen und sich Zerstreuung im Spiel suchen.
Was in manchen Situationen von Vorteil war, wurde aber letztlich auch zur Last, denn plötzlich musste man um 4 Uhr nachts aufstehen, weil einem eingefallen ist, dass die Ressourcen auf dem eigenen Heimatplaneten in Gefahr durch feindliche Raumschiffe waren. So machten manche Online-Spieler den anderen das Leben schwer, weil jene sich die unmöglichsten Uhrzeiten für Überfälle aussuchten. Erfolg lässt sich halt nicht nur durch Stärke, sondern auch durch das Ergreifen von Gelegenheiten erreichen. Doch was macht der Familienvater mit zwei Kindern, der am nächsten Morgen um 8 Uhr bei seinem Arbeitgeber ausgeschlafen auf der Matte stehen soll??
Darum wurden bei vielen Spielen jede Menge Mechanismen eingebaut, die nur dazu dienen, die Nachteile des Echtzeitsystems irgendwie auszubügeln.

Aber lasst uns doch einmal eine ketzerische Frage stellen: Ist Echtzeitorientierung bei Online-Strategie denn wirklich notwendig?

Was passiert denn bei vielen Strategiespielen heute? Man sitzt viele Stunden vor dem Spiel, kann sich jederzeit einloggen, aber wann passiert denn wirklich was? Bei vielen Spielen ist es so, dass man ab einer bestimmten erreichten Stufe Bauzeiten von 24 Stunden oder mehr hat. Man kann sich zwar jederzeit einloggen und jederzeit irgendwas machen, aber die wirklich interessanten Entscheidungen oder Fortschritte werden ohnehin vom System so ausgebremst, dass man dazwischen immer längere Pausen in Kauf nehmen muss. Stattdessen werden viele einzelne Detailaktionen über den Tag verkleckert, weil man einmal auf die Baufertigstellung, dann wieder auf die Ankunft eines Transports oder der eigenen Truppen warten muss oder sonst irgend ein Echtzeitereignis noch auf sich warten lässt.
Der große Vorteil von Echtzeit-Spielen reduziert sich also letztendlich darauf, dass man ständig das Gefühl hat, irgend etwas machen zu müssen, obwohl man immer nur eine Kleinigkeit machen kann und dann wieder darauf warten muss, dass andere Kleinigkeiten fertig werden.

Natürlich ist es in der Realität als echter Stratege auch so, dass man immer erst warten muss, ob die eigene Strategie aufgeht oder nicht.
Aber: Wenn man so etwas schon hat, warum nimmt man dann nicht gleich die altbewährte Abstraktion von Echtzeit: Ein zugbasiertes System.
Strategen in der Realität müssen nun mal darauf warten, bis ihre Aktionen durchgeführt wurden und in dieser Zeit sehen sie auch keine oder kaum Ergebnisse ihres Handelns. Das erfordert für einen Strategen der realen Welt ein hohes Maß an Abstraktion und Vorausplanung.
Genau das hat man auch bei der spielerischen, zugbasierten Abstraktion.

Ein solches System bietet außerdem für den Spieler den großen Vorteil, dass die wichtigen Geschäfte konzentriert zu einem Zeitpunkt des Tages durchgeführt werden können und den Rest des Tages ist man frei für Anderes.
Einen Nachteil hat so ein System allerdings doch: Es macht weniger schnell süchtig, als Online-Echtzeitspiele und somit ist es schwerer, mit so einem System junge Menschen zu fesseln. Es bedarf also einem interessanteren Spielkonzepts.

Wir jedenfalls halten zugbasierte Spiele für immer noch zeitgemäß, da es zusammen mit einer interessanten Spielwelt für den anspruchsvollen Spieler mehr Langzeitmotivation bringt.

Was sagt Ihr?