Montag, 2. September 2013

Die Zukunft von Online-Spielen: Zugorientierung vs. Echtzeit - eine Frage des abstrakten Denkens

Fast alle heutigen Browser-Strategiespiele arbeiten in Echtzeit. Offenbar wird Echtzeit als das Nonplusultra angesehen.
Früher gab es auch Spiele, die zugorientiert arbeiteten. Das heißt, man hat zu bestimmten Zeiten einen Zug gemacht und konnte sich danach seinem sonstigen Leben widmen. Das hatte natürlich den Nachteil, dass sich ein vielleicht etwas künstlicher Rhythmus ergab und man nicht weiter spielen konnte, wenn man will.
Dann kamen mit der Rechnerleistung und den Möglichkeiten von Online-Diensten die Echtzeitspiele auf. Nicht nur Shooter, sondern auch bei Strategiespielen konnte man sich jetzt rund um die Uhr an den Computer setzen und sich Zerstreuung im Spiel suchen.
Was in manchen Situationen von Vorteil war, wurde aber letztlich auch zur Last, denn plötzlich musste man um 4 Uhr nachts aufstehen, weil einem eingefallen ist, dass die Ressourcen auf dem eigenen Heimatplaneten in Gefahr durch feindliche Raumschiffe waren. So machten manche Online-Spieler den anderen das Leben schwer, weil jene sich die unmöglichsten Uhrzeiten für Überfälle aussuchten. Erfolg lässt sich halt nicht nur durch Stärke, sondern auch durch das Ergreifen von Gelegenheiten erreichen. Doch was macht der Familienvater mit zwei Kindern, der am nächsten Morgen um 8 Uhr bei seinem Arbeitgeber ausgeschlafen auf der Matte stehen soll??
Darum wurden bei vielen Spielen jede Menge Mechanismen eingebaut, die nur dazu dienen, die Nachteile des Echtzeitsystems irgendwie auszubügeln.

Aber lasst uns doch einmal eine ketzerische Frage stellen: Ist Echtzeitorientierung bei Online-Strategie denn wirklich notwendig?

Was passiert denn bei vielen Strategiespielen heute? Man sitzt viele Stunden vor dem Spiel, kann sich jederzeit einloggen, aber wann passiert denn wirklich was? Bei vielen Spielen ist es so, dass man ab einer bestimmten erreichten Stufe Bauzeiten von 24 Stunden oder mehr hat. Man kann sich zwar jederzeit einloggen und jederzeit irgendwas machen, aber die wirklich interessanten Entscheidungen oder Fortschritte werden ohnehin vom System so ausgebremst, dass man dazwischen immer längere Pausen in Kauf nehmen muss. Stattdessen werden viele einzelne Detailaktionen über den Tag verkleckert, weil man einmal auf die Baufertigstellung, dann wieder auf die Ankunft eines Transports oder der eigenen Truppen warten muss oder sonst irgend ein Echtzeitereignis noch auf sich warten lässt.
Der große Vorteil von Echtzeit-Spielen reduziert sich also letztendlich darauf, dass man ständig das Gefühl hat, irgend etwas machen zu müssen, obwohl man immer nur eine Kleinigkeit machen kann und dann wieder darauf warten muss, dass andere Kleinigkeiten fertig werden.

Natürlich ist es in der Realität als echter Stratege auch so, dass man immer erst warten muss, ob die eigene Strategie aufgeht oder nicht.
Aber: Wenn man so etwas schon hat, warum nimmt man dann nicht gleich die altbewährte Abstraktion von Echtzeit: Ein zugbasiertes System.
Strategen in der Realität müssen nun mal darauf warten, bis ihre Aktionen durchgeführt wurden und in dieser Zeit sehen sie auch keine oder kaum Ergebnisse ihres Handelns. Das erfordert für einen Strategen der realen Welt ein hohes Maß an Abstraktion und Vorausplanung.
Genau das hat man auch bei der spielerischen, zugbasierten Abstraktion.

Ein solches System bietet außerdem für den Spieler den großen Vorteil, dass die wichtigen Geschäfte konzentriert zu einem Zeitpunkt des Tages durchgeführt werden können und den Rest des Tages ist man frei für Anderes.
Einen Nachteil hat so ein System allerdings doch: Es macht weniger schnell süchtig, als Online-Echtzeitspiele und somit ist es schwerer, mit so einem System junge Menschen zu fesseln. Es bedarf also einem interessanteren Spielkonzepts.

Wir jedenfalls halten zugbasierte Spiele für immer noch zeitgemäß, da es zusammen mit einer interessanten Spielwelt für den anspruchsvollen Spieler mehr Langzeitmotivation bringt.

Was sagt Ihr?

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