Samstag, 30. Juni 2012

Baumstämme zu Kanonen -- Von der vergessenen Kunst

Letztens in einem bekannten und sehr erfolgreichen Strategiespiel: Die Spanier landen in Nordamerika ungefähr im heutigen Kanada. Die erste Schlacht mit den Einheimischen findet statt. Danach kann der Spieler der Spanier die eigenen Einheiten einfach per Knopfklick gegen Bares wieder auf volle Stärke bringen und das mitten im Urwald. Die letzte befreundete Stadt war auf dem alten Kontinent, die Schiffe sind auch weit weg. Es stellt sich die Frage, ob die Spanier sich neue Kanonen aus Bäumen geschnitzt haben! Müssen das nicht ungemein fähige Spanier gewesen sein?
Viele Kriege wurden in der Geschichte aufgrund der Versorgungslage gewonnen bzw. verloren. Die Römer bissen sich beispielsweise alle Zähne an Hannibal aus. Sie verloren mindestens drei große Schlachten in Folge gegen ihn, zuletzt mit eigenen weit überlegenen Truppen in der berüchtigten Schlacht von Cannae. Dann jedoch hatte Consul Flavius mit einer Politik der verbrannten Erde Erfolg. Hannibal siegte sich nach Cannae quasi zu Tode. Seine eigenen Streitkräfte wurden trotzdem immer schwächer. Die Tatsache, dass er aus seiner Heimat Karthago nicht ausreichend Nachschub erhielt, besiegelte dann sein Unheil das schließlich vor Karthago selbst endete. Zuletzt hatten sich die sparsamen Karthager ihr eigenes Grab geschaufelt.
Ähnlich erging es auch Feldmarschall Rommel vor El Alamein. Er feierte mit seiner Panzertruppe Sieg um Sieg. Doch letztlich waren es drei Tatsachen, die ihm am Ende den Sieg kosteten: Die Briten wurden immer stärker, bekamen vollen Nachschub während Rommels Nachschub immer öfter im Mittelmeer auf dem Meeresgrund landete, denn seine Gegner versenkten die Versorgungsschiffe reihenweise. Am Schluss hatte Rommel nur noch eine Handvoll Panzer, die sich wegen Treibstoffmangel kaum noch bewegen konnten. Der dritte Grund war, dass die Briten den Enigma-Chiffrier-Code geknackt hatten und deshalb seinen Funkverkehr abhören konnten -- sie wussten also wo und wann er als nächstes angreifen würde.
Doch in Strategiespielen wird das Problem der Versorgungslogistik meist ignoriert. Wenn überhaupt, dann wird es oft darauf reduziert, dass man neue Munition oder Treibstoff nachkaufen muss. Das geschieht dann per Knopfdruck und kostet etwas Geld. Doch die Tatsache, dass Nachschubwege zur Verfügung stehen müssen, diese Nachschubwege unterbrochen werden könnten und dass Nachschub von langer Hand geplant sein will, wird meist komplett ignoriert.
Dabei ist der Nachschub auch der Grund, warum eingeschlossene Einheiten in der Realität sehr schnell zur Kapitulation gezwungen sind. Wenn keine Nahrung, keine Munition oder Benzin mehr zur Verfügung stehen, dann sinkt die Kampfkraft rapide und selbst eine vorher überlegene Armee steht auf verlorenem Posten.
Letztlich hat bereits Sun Tzu in dem Strategie-Klassiker "The Art of War" klargestellt, dass das Meistern von Logistik der Eckstein für alle erfolgreichen Operationen ist -- und das schrieb er bereits vor 2.500 Jahren.
Ein paar wenige Strategiespiele versuchen das Thema Logistik im Spielgeschehen zu berücksichtigen. Das muss immer auf einem relativ abstrakten Niveau bleiben und es ist eine Kunst, Spielbarkeit und Realitätsnähe miteinander zu verheiraten, denn wenn man Versorgungslogistik in ihrer vollen Bandbreite implementieren wollte, würde das zu einem Maß an Mikromanagement führen, das für ein Spiel tödlich wäre. Aber vielleicht ist das auch der Grund, warum das Thema Logistik so selten berücksichtigt wird: Es gibt keine Standard-Lösung dafür und man muss sich selbst Gedanken darüber machen.

Hoffen wir, dass das nächste Strategiespiel das Thema Logistik wieder aufgreift, damit auch wir Hobbystrategen uns daran messen können.

3 Kommentare:

  1. Und? Habt ihr einen Titel entdeckt? Ich noch nicht. Die (realistische) Logistik ist in der Tat ein Problem in der Umsetzung. Man kann dem eigentlich nur über grobe Vereinfachung, die weitestgehende Ausblendung des Mikromanagements oder fantastische Kunstgriffe beikommen.

    Grobe Vereinfachung: Es wird unterstellt, dass die Versorgung von Armeen in jeder Hinsicht dadurch per se gewährleistet ist, dass Gebiete kontrolliert werden. Operiert die Armee in solchen Zonen, ist ihr Versorgungsstatus auf 100%. Je weiter sie sich davon (bzw. der Hauptstadt oder ihrer Basis) entfernt, sinkt dieser Status und beeinflusst die Moral als passiven Faktor im unmittelbaren Kampfgeschehen.

    Ausblendung des Mikromanagements: Da sich die meisten Strategiespiele im Gegensatz zu Wirtschaftssimulationen vornehmlich um militärische Aspekte drehen, wird der zivile Faktor nur über bestimmte Gebäude und die generelle Verfügbarkeit von Schlüsselressourcen abgebildet. So muss beispielsweise nur eine bestimmte Menge an Nahrung bzw. Treibstoff im "imperialen Gesamtvermögen" vorhanden sein, um militärische Operationen möglich zu machen. Bei technischen Einheiten (Panzer, Raumschiffe) trifft man überdies zuweilen noch auf Beschränkungen hinsichtlich ihrer operativen Reichweite, die mit dem Treibstoffverbrauch begründet wird. Und ganz selten sieht man auch mal noch Spiele, wo tatsächlich Non-Kombatanten zu jeder Armee gehören, die für den Support zuständig sind (mir fällt grad kein Beispiel ein, aber Tanklaster und Tankflugzeuge hab ich schon mal irgendwo gesehen).

    Fantastische Kunstgriffe: Sobald Elfenmagier mit Feuerbällen gegen Orks vorrücken und Todessterne durch Wurmlöcher in Paralleluniversen verlegt werden, sind Telekinese und Beam-Technologie die leichteste Übung. Da kann man sich auch so gut vorstellen, dass der Kampfzwerg sein Wurschtbrot in die Hand gezaubert bekommt und planetare Gebäudebausätze samt Kühlschrank in der Ionosphäre materialisieren. Man fragt sich zwar, wieso die dann trotzdem noch mit Knüppeln gegeneinander rennen oder den Aufwand betreiben, ballistische Geschosse abzufeuern, aber hey - für den Spaß ...

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  2. Ich denke, dass es ohne gewisse Vereinfachung nicht zu machen ist. Wer auf Logistik an sich steht, spielt Transport-Tycoon oder sowas. Etwas mehr Einzug halten sollte der Aspekt in Strategiespiele dennoch, wobei es da auch darauf ankommt, in welcher Dimension die angesiedelt sind. Ziehe ich mit meinen Atzen nur von Burg zu Burg oder dirigiere ich die Panzer von der Elbe an den Rhein, dann ist das noch gut nachvollziehbar. Wenn ich aber mit einem Spielzug eine ganze Nation besetze oder gar einen Planeten, dann stellt sich die Frage nach der Brotbüchse von Langbogenschütze 48 ebensowenig wie der Tankfüllstand der Jägereskorte im Beta-Flügel.

    Interessant in diesem Zusammenhang, insbesondere was die eher regional gehaltenen Schlachtfelder betrifft, sind Guerilla- bzw. Partisanen-Taktiken. Während eine große Hauptarmee
    - zerstörbare/kaperbare Support-Einheiten braucht
    - wegen des Trosses langsamer ist und
    - sich schlecht verstecken kann
    - auf ihrem Weg (durch Feindesland) weiteren Nachschub requirieren muss (Aktions-/Zeitverlust/Risiko des Scheiterns)

    ... können sich kleine Verbände autonom durch fremdes Terrain schlagen. Dschingis Khans Bogenreiter haben letztlich auch vor allem dank dieser Strategie so schnell so große Gebiete einnehmen können. Sie waren flink und auf sich allein gestellt und kampftaktisch den damaligen Europäern weit überlegen. Da tauchten eben plötzlich drei Mongolen im Dorf auf, die nicht nur sehr gefährlich aussahen, beschlagnahmten sechs Hühner und drei Brote, erklärten das Dorf für eingenommen und verschwanden wieder spurlos, wenn sich ihnen niemand in den Weg stellte, der das in aller Regel ohnehin nicht überlebte. Großen Kampfverbänden wichen die Reiter eher aus. Solche Einheitentypen ließen sich gewiss implementieren, und wer auf diese Weise kämpfen will, muss darauf eben auch all seine Ressourcen und Kulturpunkte verwenden. Autonome Guerilla zu entwickeln, zu trainieren und auszurüsten ist teuer und erfordert sehr hohe Loyalität. Da kann man nicht gleichzeitig auch noch einen gewaltigen Heereswurm aus Infanterie und Artillerie ausheben und unterhalten. Wobei man solch einem Ungetüm im Verteidigungsfall dann eben auch nicht sonderlich viel entgegensetzen kann, außer vielen schnellen Nadelstichen aus der Deckung und eben der Zerstörung von Nachschubwegen im Hinterland. Wobei in aller Regel die Heereswürmer eine sehr viel festere Administration in den eroberten Gebieten hinterlassen als die Guerilla-Typen, die vornehmlich auf das Aufrechterhalten von Drohkulissen setzen müssen, um weiter schlagkräftig bleiben zu können.

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  3. Danke für die interessanten Anmerkungen zum Thema. Wir denken auch, dass Logistik eine Herausforderung bleiben wird und ohne Vergröberung wird es nicht gehen. Aber rein geschichtlich betrachtet, war das Thema Logistik einfach immer kriegsentscheidend und das eben nicht nur in den genannten Fällen. Praktisch in allen Jahrhunderten lassen sich entsprechende Beispiele nennen -- angefangen bei den Römern über Napoleon (dessen wichtigste Ausrüstung seiner Armee so manches Mal gutes Schuhwerk war) bis zu den modernen Armeen, in denen das Thema Treibstoff eine extrem große Rolle spielt. Nicht nur griffen die Japaner im zweiten Weltkrieg die USA u.a. wegen der amerikanischen Blockadepolitik an, es war auch so, dass die Versorgungslage der amerikanischen Truppen in Frankreich den Krieg um einiges verlängerte, weil für einen Angriff auf Nazideutschland 1944 nicht genug Versorgungsgüter zur Verfügung standen.

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